Schüler lernen von Zeitzeugen

Ehemalige Rotenburger lassen Geschichte in Geschichten lebendig werden

ROTENBURG. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so aufmerksam und konzentriert folgten die Jugendlichen aus verschiedenen elften Klassen einem Unterricht der besonderen Art: Die beiden ehemaligen Rotenburger Ilse Speier und Manfred Oppenheim waren kürzlich in der Jakob-Grimm-Schule in Rotenburg zu Gast und berichteten über die tragischen Ereignisse, die sie Ende der 30er Jahre von Rotenburg nach Israel führten. Die beiden Zeitzeugen, die heute die Namen Judith Epstein und Moshe Naveh tragen, waren zum zweiten Mal zu Gast in Waldhessen, damit die Geschichte ihrer Familie nicht nur in den Archiven, sondern auch in den Herzen der Menschen bewahrt bleibt. Sie folgten damit einer Einladung von Dr. Heinrich und Inge Nuhn, die sich ihren Gästen wie immer in besonderer Weise annahmen. Moshe Navehs Vater, der als koscherer Metzger Berufsverbot erhielt, wanderte 1936 mit Familie nach Israel aus. Kurze Zeit später beging er Selbstmord. Zu schwer war die Umstellung auf das bislang fremde Land, zu bitter waren die Erinnerungen an das Leben in Deutschland, erzählte der Sohn. Die Eltern von Judith Epstein schickten ihre beiden Töchter 1940 nach Israel. Mutter und Vater blieben hier, wurden später nach Theresienstadt deportiert und kamen in Auschwitz ums Leben. Im Anschluss an die bewegenden persönlichen Schilderungen hatten die Jugendlichen Gelegenheit, Fragen zu stellen und zu diskutieren. Sie hatten im vergangenen Schuljahr am Katalog der Geschichtswerkstatt gearbeitet und in diesem Zusammenhang weit reichende Einblicke in das Thema gewonnen, berichtete Petra Dejon, Lehrerin für Geschichte und Latein. Besonders beeindruckt hatte unter anderem die von Judith Epstein mitgebrachte Familiengeschichte, in welcher der Briefwechsel mit den Eltern dokumentiert ist. „Darin waren fast ausschließlich gute Wünsche an die Töchter enthalten." Kaum etwas steht darin über die persönlichen Befindlichkeiten von Mutter und Vater. „Sie handelten so, weil sie ihre Töchter schonen wollten", erzählte Petra Dejon. Neben dem Treffen mit den Schülerinnen und Schülern der Jakob-Grimm-Schule, das inhaltlich auch von Dr. Heinrich Nuhn und dem Referendar Dr. Björn Onken begleitet wurde, standen für Judith Epstein und Moshe Naveh noch weitere Besuche auf dem Programm, um die Spuren ihrer großen Familie zu verfolgen. (ZWK)