Werner, 
  Ludwig: * 16.02.1855 Gut Bubenrode (Kassel), + 1923, (366) ev.; Redakteur; 1890-1893 
  MdR für Kreis Kassel 1 (Rinteln - Hofgeismar); 1893-1918 MdR für Kassel 
  6 (Rotenburg - Hersfeld); stimmte1895 für den Antrag Manteuffel / Hammerstein; 
  1911-1914 Vors. DRP; abgebrochene Schulausbildung 1871, erst Kaufmann, dann 
  seit 1882 Redakteur, gründete den Kasseler Reformverein und 
  am 1.7.1882 die Zeitung Reichsgeldmonopol, seit 1894 Schriftführer 
  der Budgetkommission des Reichstags, Werner sprach im Reichstag vorwiegend zu 
  landwirtschaftlichen Fragen, trat nach eigener Darstellung vor allem für 
  die Postunterbeamten und Postassistenten ein. Mitglied des preußischen 
  Abgeordnetenhauses.
  Von 1911bis 1914 war Ludwig Werner Vorsitzender der Deutschen Reformpartei, 
  in der am 22.3.1914 neugegründeten Deutschvölkischen Partei (Zusammenschluß 
  der Reformpartei mit der bis dahin mit ihr konkurrierenden antisemitischen Deutsch-sozialen 
  Partei) wurde er zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Mit 
  der Bezeichnung deutschvölkisch sollte die rassenantisemitische 
  Ausrichtung der Partei besonders betont werden. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs 
  ging die Partei in der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) auf, bewahrte dort 
  aber eine gewisse Eigenständigkeit. Ludwig Werner kandidierte im Januar 
  1919 auf Platz 2 der Landesliste der DNVP für die Preußenwahl.
Die 
  Reichstagswahl vom 12. 1. 1912
  In den Wahlkampf griff 
Werner 
  erst Anfang Dezember 1911 Als letzter Kandidat persönlich ein, der an Länge 
  und Intensität alle vorhergegangenen Wahlkämpfe weit übertraf. 
  Die Rechtsschwenkung seit der Landtagswahl 1908 kostete Werner zwar die Unterstützung 
  der Nationalliberalen, durch die Billigung eines lückenlosen Zolltarifs 
  gewann er aber den Bund der Landwirte und die Vertrauensmänner der Konservativen 
  Partei für sich, die in einer gemeinsamen Versammlung beschlossen, den 
  Antisemiten Werner zu unterstützen und auf die Aufstellung eines eigenen 
  Kandidaten zu verzichten. Dieser Entschluss konnte den Konservativen nach der 
  vernichtenden Niederlage von Bodelschwinghs im Jahre 1907 nicht schwerfallen. 
  Der Bund der Handwerker (BdH) mit seiner Hauptforderung nach Beschränkung 
  der Gewerbefreiheit lehnte den liberalen Kandidaten ab und wählte Werner 
  zu seinem Kandidaten, nachdem sich dieser auf die Forderungen des Bundes verpflichtet 
  hatte. Die Gründung einer eigenen Interessenvertretung mit dem Ziel der 
  Erneuerung korporativer Organisationsformen war den Handwerkern im Jahre 1909 
  gelungen. Bis zum Frühjahr 1911 bildeten sich Ortsgruppen des BdH in allen 
  größeren Orten des Wahlkreises. Bereits vor der Landtagswahl 1908 
  hatte sich die Bundesleitung des BdH für Werner verwandt und die Handwerker 
  ermahnt, sich nicht als Wahlmänner für die Konservativen und den BdL 
  aufstellen zu lassen. Die Unterstützung durch die Organisationen der Handwerker 
  und Landwirte gewann für Werner größte Bedeutung, da durch das 
  Auftreten der Hessischen Bauernpartei jene Wählerschicht direkt angesprochen 
  wurde, die seither Werners stärkste Stütze gewesen war: die kleinen 
  und mittleren Bauern. Diese stellten das größte Wählerkontingent 
  im Wahlkreis Hersfeld-Hünfeld-Rotenburg. Da der BdL von seinen Kritikern 
  immer mehr als Vertreter der Anliegen der Großgrundbesitzer charakterisiert 
  wurde, lag in der Unterstützung durch diesen Verband für Werner zugleich 
  allerdings die Gefahr der Isolierung von den klein- und mittelbäuerlichen 
  Schichten. Die antisemitische Bewegung hatte sich im Laufe von zwei Jahrzehnten 
  von einer antikonservativen Rebellion zu einem Anhängsel des Konservatismus 
  entwickelt. Die Bauernpartei überzog seit Sommer 1910 die Gemeinden des 
  Kreises mit Versammlungen und führte in ihrer in Bebra erscheinenden Zeitung 
  Das Landvolk eine scharfe Sprache gegen den BdL und den Antisemiten Werner, 
  den sie als "Volksbetrüger", "Junkerknecht" und "Schnapsverteurer" 
  titulierte. Von den 18 Gemeinden, in denen die Konservativen 1907 die Mehrheit 
  hatten, fielen elf an Werner, sechs an Rudloff (Bauernpartei). Nur dadurch, 
  dass Werner einen erheblichen Teil der 1.066 konservativen Wähler auffangen 
  konnte, vermochte er eine entscheidende Niederlage zu verhindern. Die Fluktuation 
  der konservativen Wähler zu Werner war dadurch begünstigt, dass der 
  konservative Kandidat des Jahres 1907, von Bodelschwingh, zugleich Wahlkreisvorsitzender 
  des Bundes der Landwirte war, der lebhaft für Werner eintrat. Da Werner 
  1912 die Regierungspolitik zu seinem eigenen Programm gemacht hatte, musste 
  er die Wählerschichten verlieren, die kein Verständnis für die 
  Ablehnung der Erbschafts- und Einkommensteuerreform aufbringen konnten und durch 
  die Erhöhung der indirekten Steuern im Jahre 1909 die Last der wachsenden 
  Rüstungsausgaben auf ihre Taschen abgewälzt sahen. Für den Kandidaten 
  der Fortschrittlichen Volkspartei (FVP), den Bahnhofsvorsteher Fiedler, der 
  sechs Monate vor dem Wahltermin von Bebra nach Gießen versetzt worden 
  war, stimmten 13,7% der Wähler. Die liberale Wählerschaft Hersfelds 
  war durch den Streit bei der Kandidatennominierung gespalten, so dass Fiedler 
  ohne die Unterstützung des einflussreichen Nationalliberalen Vereins in 
  der Kreisstadt nur auf 19,9% der Stimmen kam. Fiedler erzielte seine besten 
  Ergebnisse in den Eisenbahnergemeinden Mecklar (34,9%) und Friedlos (28,4%) 
  sowie in den beiden "Judendörfern" Schenklengsfeld (35,0%) und 
  Niederaula (22,3%), wo der Anteil der jüdischen Bevölkerung (1905) 
  18,2% bzw. 10,6% In den Gemeinden verschiedener Größe (Stand 1905) 
  erhielten: Die kleinen (Bauern-) Gemeinden und die Kreisstadt waren also die 
  Hauptstützen Werners, während Schnabrich (SPD) in den mittleren Gemeinden 
  mit 250 - 750 Einwohnern klar dominierte. Das Abschneiden der Liberalen stand 
  in proportionalem Verhältnis zur Gemeindegröße, während 
  sich die Ergebnisse der Bauernpartei ebenso eindeutig umgekehrt dazu verhielten. 
  Judenwahlen nannten die politischen Rechten des Wilhelminischen 
  Deutschland die Reichstagswahlen vom 12. Januar 1912, und zwar wegen des Stichwahlbündnisses 
  der jüdischen Sozialdemokratie mit dem jüdischen 
  Linksliberalismus und wegen der Wahlaufrufe des Centralvereins deutscher 
  Staatsbürger jüdischen Glaubens, bedingungslos gegen die Antisemiten 
  vorzugehen. Der beeinduckende Wahlsieg der Sozialdemokraten, die erstmals die 
  stärkste Fraktion im Reichstag stellten, hatte das rechte Bürgertum 
  aufgeschreckt. Wirtschaftlicher Ruin, kultureller Verfall, Untergang des Deutschen 
  Reiches - die Schuld an diesen angeblich drohenden Gefahren wurde den Juden 
  bzw. den von ihnen unterstützten Parteien zugeschoben. Es kam zu einer 
  Formierung des rechtsbürgerlichen, deutschnationalen und völkischen 
  Lagers, die mit einer Neubelebung des Antisemitismus in den Jahren vor dem Ersten 
  Weltkrieg einherging. Von dieser Entwicklung konnten auch die Parteiantisemiten 
  profitieren. In der am 22. März 1914 neugegründeten Deutschvölkischen 
  Partei übernahm Ludwig Werner das Amt des 2. Vorsitzenden. Mit der Bezeichnung 
  deutschvölkisch sollten die rassenantisemitische Ausrichtung 
  der Partei und ihr Hauptziel, die Reinhaltung und Erhaltung unseres deutschen 
  Volkstums, das ständig in größere Gefahren hineinkommt, 
  besonders betont werden, wie es in einer Aufklärungsschrift 
  hieß. Die Deutsche Reformpartei (Vorsitzender von 1911 bis 
  1914: Ludwig Werner) hatte schon 1898 auf ihrem Kasseler Parteitag die Aufnahme 
  des Zusatzes deutsch-völkisch in ihren Parteinamen diskutiert. 
  Ab dem 5. Januar 1917 führte das amtliche Organ der Deutschvölkischen 
  Partei, die Deutschvölkischen Blätter, das Hakenkreuz als Zeichen 
  des völkischen Nationalismus und Antisemitismus im Titelkopf. Nach dem 
  Zusammenbruch des Kaiserreichs im November 1918 ging die Deutschvölkische 
  Partei dann in der Deutschnationalen Volkspartei auf, wo ihre Anhängerschaft 
  allerdings im Deutschvölkischen Bund zusammengefasst blieb. 
  Mit der Bildung der Deutschvölkischen Partei waren praktisch alle Parteiantisemiten 
  in einer Organisation vereint.