Ein Rotenburger SA-Mann, 1953 als
Angeklagter vor dem Landgericht
Kassel:
„Ich wurde an dem bewussten
Tage als SA-Mann frühmorgens aus
dem Bett geholt. Als ich dann auf
den Marktplatz kam, wurde ich zu
einer Bergungsaktion eingesetzt,
und zwar von Sachen, die in
Auswirkung der Judenaktion auf
den Straßen herumlagen,
aufzusammeln und, soweit es sich
um Sachen von Wert handelte, nach
dem Marstall zu bringen. Dort
bekam ich dann die Weisung, in die
Rosengasse zu gehen und dort an
der Bergung von Sachen aus dem
Bereich des David Löwenstein zu
helfen. Die Rückseite des Anwesens
David L. und die Rückseite des
Rotenburger Marstallgebäudes
liegen an der Rosengasse.
Im übrigen aber waren bei meinem
Eintreffen dort Leute beschäftigt,
die aus der rückwärtigen Tür des
Hauses L. in einer Kette bis zum
Marstallgebäude alle möglichen
Textilien weiterreichten. Ob das
Sachen aus dem Ladengeschäft des
David L. oder aus seiner Wohnung
waren, das weiß ich nicht. Ich habe
mich in diese Kette eingeschaltet
und eine zeitlang solche Sachen –
es handelte sich um Handtücher in
Bündeln, Bettwäsche in Bündeln –
in den Marstall weitergereicht. Ich
stand dabei auf einem Holzstall an
der Rückseite des Marstallgebäudes.
Die so weitergereichten Sachen
wurden in einem unteren Raum des
Marstalls abgelegt.
(...) Ich will aber nicht unerwähnt
lassen, dass mir später zu Gehör
gekommen ist, die in den Marstall
verbrachten Sachen seien den
fraglichen Juden, soweit sie sich
hier sehen ließen, wieder
ausgehändigt worden."
Auf die Frage: Wurden bei den
Ausschreitungen auch von unbekannter
Seite Sachen aus der Wohnung oder
aus dem Laden gestohlen? –
"Positiv weiß ich darüber nichts,
aber es ist wohl zu vermuten, denn
die Meute hat damals die Vorgänge
Hosianna schreiend begrüßt."
Oben: Brückengasse 6
(Hinterausgang zum Hofweg):
In diesem Haus war das von
Abraham Löwenstein
begründete Textil- und
Bekleidungsgeschäft, das
sein Sohn David bis zur
Zerstörung im November
1938 fortführte.
Schräg hinter dem
Textilgeschäft:
Marstallgebäude (Foto
rechts).