Isidor Fackenheim

Hier ruht
Isaac, Sohn von Zeév halevi
Starb im guten Namen
10 Nisan 5694
Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens

Hier ruht
Isidor Fackenheim
Geboren am 3. November 1856
Gestorben am 26. Mai 1934

H.L.
Isaac son of Ze'ev halevi
died in good name on Monday
10 Nisan 5694
may his soul be bound in the knot of life
Here lies
Isidor Fackenheim
born 3 Nov 1856
died 26 May 1934

p. n.
Yitzhak bar Ze'ev halevi
met b'sh.t. b'yom bet
yom yud nisan taf-resh-tzadeh-dalet l'prat.
tantzeva

 

  

Am 3. November 1929 feierte das Hotel Fackenheim sein 60-jähriges Bestehen. Darüber war im Rotenburger Tageblatt zu lesen: „Zahlreiche Glückwünsche und ehrende Anerkennungen aus dem Kreise von Bekannten und Kunden zeugten von der Wertschätzung, deren sich das angesehene Haus erfreut.“ Im Saal des Gasthauses Fackenheim in der Nürnberger Straße fanden die Jahresversammlungen des Gastwirtevereins des Landkreises Rotenburg statt. Lange Jahre war Isaak Fackenheim Schriftführer im Wirteverein, der ihn zum Ehrenmitglied berief.

Isidor Fackenheim war Vorsitzender des „Israelitischen Krankenpflegevereins“ in Bebra, der 18 Mitglieder zählte. Im März 1919 wurde er in das Bebraer Gemeindeparlament gewählt. Und zwar über die „Liste Schmidt“, die das eher konservative Wählerpotential ansprach und zur stärksten Fraktion wurde. Weniger erfolgreich war die (linksliberale) Deutsche Demokratische Partei, die als „Liste Kaiser“ mit zwei jüdischen Kandidaten antrat, Kaufmann Salomon Katz und Sattlermeister Hermann Döllefeld.

Im Folgenden die Erinnerungen von Enkeltochter Ilse Abraham-Friedmann an ihren Großvater Isidor Fackenheim, aufgeschrieben 1984 in den USA:
Ilse Abraham-Friedmann: Mein Großvater Isidor
"Über unsere Stadtgrenzen hinaus war er hoch anerkannt und gut bekannt. Die Leute aus dem Ort, die in seine Bierstube kamen, dachten nie daran, in das Hotel Fackenheim zu gehen - auf ihr tägliches Glas Bier gingen sie zu Isidor, um dort die Zeitung zu lesen und sich mit ihm zu unterhalten und dann nach ein oder zwei Stunden mit einem warmen und angenehmen Gefühl wieder wegzugehen. Ein tägliches Ritual! Neben dem Besitz des Hotels, dessen Betrieb er Großmutter überließ, hatte er eine Versicherungsagentur. Fast jeder Bauer im Ort kaufte bei ihm die Hagelversicherung und bei dieser Gelegenheit verkaufte er ihnen auch eine Lebensversicherung. Sein Versicherungsgeschäft lief glatt, fast ohne dass er sich dabei bemühte. Er war für seine Ehrlichkeit so gut bekannt, dass die Leute zum Kauf der Versicherungen zu ihm kamen. Kaum jemals setzte er einen Fuß vor die Tür. Ich glaube nicht, dass heute irgend jemand seinen Lebensunterhalt auf diese Art verdienen könnte. Er arbeitete im Laufe seines Lebens wirklich nicht allzu schwer, aber er verdiente genug Geld, um seinen einzigen Sohn zur Universität und zum Medizinstudium schicken zu können, und er gab jeder seiner drei Töchter bei ihrer Heirat eine Aussteuer und eine beträchtliche Summe Geld. Als er sich zur Ruhe setzte, war er in guten finanziellen Umständen. Er war kein praktischer Mann. Jeden Morgen musste Großmutter ihm helfen, seine Krawatte anzuziehen. Das hat er nie geschafft, bis er über siebzig war und Großmutter gestorben war. Er führte ein sehr geregeltes Leben, stand jeden Morgen zur selben Zeit auf, verlangte zu einer festen Zeit seine Mahlzeiten, und wenn es abends auf zehn Uhr zuging, legte sich Großvater ins Bett, ohne Rücksicht darauf, was Großmutter noch alles zu tun hatte oder was sonst noch zu machen war. Mit dem Hotel betrieben meine Großeltern noch einen Tanzsaal, in dem die meisten Hochzeiten der Stadt gefeiert wurden. Wenn eine der reichen Bauerstöchter heiratete, ging die Feier mit all dem Tanzen, Essen und Trinken bis in die frühen Morgenstunden. Bei diesen Anlässen hatten sie zwar extra Hilfe, aber Großmutter blieb immer die ganze Nacht auf, um alles unter Kontrolle zu haben. Großvater ging selbstverständlich um 10 Uhr zu Bett und murmelte dabei vor sich her, dass er bei diesem großen Lärm im Haus wohl kaum schlafen könne. Viele Male hörte ich Mutter von einem Vorfall erzählen, als Großmutter bei einer Hochzeit mit Grippe im Bett lag. Um 10 Uhr stampfte der arme, hilflose Großvater ins Schlafzimmer und stellte ernstlich fest: „ Rosa, wenn Du doch nur nicht im Bett wärst?“ Großmutter beantwortete die Frage: „ Was wäre denn dann, wenn ich nicht im Bett läge?“ „ Na ja, dann könnte einer von uns zu Bett gehen.“ Großmutter erwiderte darauf mit gewohnt freundlichem Lächeln: „Einer von uns liegt im Bett.“ Armer Großvater! In dieser Nacht musste er wirklich durchhalten und schwer arbeiten. Damals war elektrische Kühlung noch unbekannt und das Bier musste mit Eis gekühlt werden. Natürlich gab es im Winter genügend Eis, aber mein Großvater bediente sich in der Sommerzeit eines speziellen Systems zur Bierkühlung. Um dafür Eis zu haben, wurde für dessen Herstellung im Winter ein künstlicher Teich angelegt. Dieses Eis wurde dann in den von uns so genannten Eiskeller gebracht, ein kleines Haus im hinteren Bereich des Anwesens. Es war mit doppelt isolierten Wänden und mit festem Flachdach gebaut worden. Das Eis wurde mit einem Wagen, der von einem Gespann mit vier Pferden gezogen wurde, von dem Teich herantransportiert. Starke Männer griffen mit Zangen die großen Eisbrocken und warfen sie auf das Flachdach, in dem sich eine Falltür befand. Andere Männer hackten die Eisklumpen mit Äxten in kleinere Stücke und schaufelten sie durch die Falltür. Wenn der Keller voll war und ehe die Klappe geschlossen wurde, warf man Torf oben auf das Eis zur Isolation. Wenn das Eis bei wärmerem Wetter benötigt wurde, konnte es durch eine Doppeltür im Fußboden, die in den Keller führte, herausgeholt werden. An den Keller angrenzend war ein kleiner Vorraum mit Regalen rundherum, um verderbliche Waren kühl zu halten, und mit einer niedrigen Tür, die in den eigentlichen Eisraum führte, wo das Eis bald zu einem riesigen Klumpen geworden war. Mit einer Spitzhacke wurde das Eis losgeschlagen und im Eimer auf die Kupferleitung befördert, die von dem riesigen Bierfass im Keller zu den Zapfhähnen in der Etage höher führten. Am Ende der Leitung kam das eiskalte Bier aus dem Zapfhahn. Was war es für eine Enttäuschung, als ich nach 35 Jahren in Amerika den Ort besuchte und sehen musste, wie das Bier jetzt durch eine Kühlanlage gekühlt wurde und der Eiskeller aus meinen Erinnerungen in einen Stall verwandelt war, wo jetzt Ochsen gehalten wurden. Es fiel mir schwer, die unvermeidbaren Veränderungen zu akzeptieren, die in meiner alten Heimatstadt stattgefunden hatten."

Isidor Fackenheims Ehefrau Rosa stammte aus Aschersleben, ihr Vater war bereits vor ihrer Geburt verstorben. Rosa Fackenheims Grab auf dem jüdischen Friedhof in Bebra ist die Nummer 89. Rosa Fackenheim geb. Dessauer, verstorben 1926, wurde für ihre Tätigkeit im Vaterländischen Frauenverein des Roten Kreuzes die Rote-Kreuz-Medaille verliehen. Neben Rosa Fackenheim gehörten auch Bertha Oppenheim und Adele Katz (Ehefrau von Salomon Katz) dem Bebraer Ortsverein des Vaterländischen Frauenvereins im Roten Kreuz an.

Bertha Oppenheim als Mitglied des Vaterländischen Frauenvereins auf dem rechten Foto, 3. v. rechts in der zweiten Reihe

Dass nicht nur die jüdischen Männer als Frontkämpfer willkommen waren, sondern auch patriotische Vereinigungen wie der „Vaterländische Frauenverein“ jüdische Mitglieder akzeptierten, könnte als Beleg dafür gelten, dass die Integration des jüdischen Bevölkerungsteils auch in unserer Gegend zu Beginn unseres Jahrhunderts gelungen schien. Tochter Ida (sie wurde von Aachen aus im Dezember 1941 nach Riga verschleppt, wo sich ihre Spur verliert) hatte Siegfried Abraham geheiratet, der 1920 aus dem Textilgeschäft Gebr. Abraham (Nürnberger Straße 18, jetzt Uhren-Becker) ausstieg und ein Manufaktur- und Modewarengeschäft in der 1. Etage im Geschäftshaus Salomon Katz, Nürnberger Str. 24, eröffnete, das sich ausdrücklich nicht als Ladengeschäft verstand (vgl. Anzeige im Rotenburger Kreisblatt v. 17. Januar 1920).




Geschäftanzeige Dezember 1924


1906 wurde Siegfried und Idas Sohn Leo geboren (1944 im Kz Bergen-Belsen ermordet), 1914 kam Ilse zur Welt. Am 14. Dezember 1936 heiratete Ilse den Buttstädter Viehhändler Friedmann. Ilse schaffte 1938 mit Ehemann Friedmann (von Buttstädt bei Weimar aus) die Ausreise in die USA.

Ilse Abraham-Friedmann als Näherin nach ihrer Flucht in die USA

1984 schrieb sie ihre Lebenserinnerungen auf, die auch einige Schlaglichter auf ihre Heimatstadt Bebra im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts werfen.

Willi Fackenheim, geb. 24. März 1882 in Bebra als Sohn des Hoteliers Isidor Fackenheim, hatte bis November 1938 eine Arztpraxis in Wiesbaden, Friedrichstraße 6. Im April 1939 gelang der Familie die Flucht nach Shanghai, wo Willi Fackenheim 1943 verstarb. Vor dem Haus in Wiesbaden wurden am 8. Juni 2007 „Stolpersteine“ für ihn und seine 1894 in Mannheim geborene Frau Elsa geb. Altschul (gest. in Shanghai 1945) gesetzt. Eine Patin der Stolpersteine war seine jüngste Patientin. Herr Fackenheim hat viele Jahre in der Friedrichstraße 6 seine Praxis betrieben. Auch ein alter Freund der Fackenheims nahm an der Verlegung teil.
Hausnummer 6
Der Sohn des Ehepaares Walter Frank (Fackenheim), der jetzt in San Francisco lebt, reagierte mit folgendem Brief auf die Nachricht über die Verlegung der Stolpersteine für seine Eltern: "Besten Dank für die Nachricht über die Verlegung der Stolpersteine für meine Eltern. Jedenfalls bin ich allen Paten für ihre Hilfe und ihr praktisches Beiwerk sehr dankbar - jetzt ist da noch mal ein Andenken an meine Eltern in Wiesbaden - ihr Grabstein in China und ihr Grab hat man ja während der chinesischen Revolution völlig vernichtet."
Stolpersteine

Willi Fackenheims ältester Sohn Walter (geb. Mai 1920) gelangte 1947 von Shanghai nach Kalifornien, wo er den Zunamen Frank annahm. Im folgenden Text: Ausschnitte aus einem Interview, das Willi Fackenheims Sohn Walter Fackenheim/ Frank (=Isidor Fackenheims Enkel) im Rahmen des „Holocaust Oral History Project“ in San Francisco, California am 15. Mai 1995 gab. (Übersetzung H. Nuhn, Juni 2008)

(Bebra), der Ort, wo mein Vater herkam, war ein bedeutender Knotenpunkt, ein wichtiges Bahnzentrum. Dort lebten seine Eltern. Sie besaßen und führten ein streng koscheres Hotel. In meiner Kindheit fuhren mein Bruder und ich im Sommer immer für zwei, drei Wochen nach dort. Zwei Schwestern meines Vaters lebten in Bebra, sie heirateten dort. Eine andere Schwester lebte in Eisenach, sie sind alle tot. Sie wurden Opfer des Holocaust, wir wissen nicht genau wo. Wahrscheinlich in Auschwitz. Mein Großvater starb, bevor die Dinge einen schlimmen Verlauf nahmen, sie starben vor der Hitlerzeit.
Mein Vater und meine Mutter, mein Bruder und ich kamen nach der Kristallnacht aus Deutschland raus und gingen nach Shanghai. Aber das kommt später, soweit sind wir noch nicht. Meine Großeltern lebten in einer ländlichen Umgebung, eine Kleinstadt, in der jeder jeden kannte. Und zwar nicht nur die jüdische Bevölkerung, sondern ebenso die christliche. Mein Großvater Isidor war in Bebra sehr bekannt, viele Jahre war er im Stadtrat. Er war so etwas wie ein inoffizieller Schiedsmann, ein Schlichter in Streitsachen, die man nicht unbedingt vor Gericht bringt, weil das dort zu lange dauert. Wenn die Bauern ein Problem hatten, gingen sie normaler Weise zu Isidor und der regelte die Sache dann.
Er war eine Art Vermittler, wenn ein Bauer mit einem anderen im Streit lag, etwa über ein Stück Land oder eine Kuh oder irgendeinen Handel. Für all das war er in der Gegend wohlbekannt und hoch geachtet, er hatte einen guten Ruf. Ich hatte eine Cousine mit Namen Ilse, die dort geboren wurde, sie starb vor einigen Jahren in Oakland. Sie hat so etwas wie eine Chronik geschrieben über das, was sie aus dieser Zeit in Erinnerung hatte. Ich kann mich an das Zusammensein mit ihr in Bebra erinnern, wo sie bis zu ihrer Verheiratung und Auswanderung nach Amerika lebte, in den 1930er Jahren, 1939 oder vielleicht 1940, ich bin mir nicht ganz sicher. (...)
Mein Vater borgte sich von seinem Vater das Geld und studierte Medizin, zunächst in Halle, dann einige Semester in Berlin und machte dann sein Examen und seine Promotion in Würzburg. Er hat mir erzählt, dass er jeden Pfennig, den er von seinem Vater geborgt hat, an ihn zurückgezahlt hat, nachdem er seine eigene Praxis hatte. Für einige Jahre führte er seine Arztpraxis. Dann brach der Krieg aus und er wurde zum Militärdienst einberufen. Er wurde Offizier, er brachte es bis zum Hauptmann. Wundarzt für das Regiment, Stabsarzt, als solcher verbrachte er eine lange Zeit in Frankreich und in Russland. Dies waren die beiden Fronten, an denen er zum Einsatz kam. (...) Er war ein äußerst sorgfältiger Mensch. Hier eine kleine Geschichte, die das veranschaulicht. Wenn man in Deutschland zum Bahnhof ging, kam man nur bis zur Bahnsteigsperre. Wenn man diese passieren wollte, um auf den Bahnsteig zu kommen, an dem der Zug einlief, musste man eine kleine Summe bezahlen, 5 Cent oder 10 Pfennig oder so ähnlich, es sei denn, man war unter 5 Jahre alt, dann kostete es nichts. Nun, es war Sommer und ich war in Bebra, als mein Vater mit der Bahn zu Besuch kam. Mein Großvater oder mein Onkel oder sonst wer brachte mich zum Bahnhof, um ihn abzuholen. Ich war gerade fünf Jahre alt geworden, es war im Juni oder Juli. Ich bin im Mai geboren, also war ich fünf Jahre und zwei Monate. Am Bahnhof sagte man dem Typ am Fahrkartenschalter, dass ich noch keine fünf sei. Er sagte, das ist okay, kein Problem. Als nun alle beim Abendessen saßen, sagte jemand: „Oh Leute, wir haben heute die Bahn beschummelt. Wir haben Walter zum Bahnhof gebracht und gesagt, er sei noch keine fünf Jahre alt.“ Mein Vater stand vom Tisch auf, ging zum Bahnhof, der nur zwei Straßenzüge entfernt war, entschuldigte sich und bezahlte 5 Cent. Er konnte nichts tun, was auch nur im geringsten Maße schlecht oder ungesetzlich war. (...) Er war ganz und gar ein Vorbild. Beide Elternteile waren Vorbilder, rechtschaffen und aufrecht, kein Herumeiern. Man tut immer das Rechte. (...) Die Schwester meiner Mutter war bereits verheiratet und sie machte meine Mutter mit meinem Vater bekannt. Meine Mutter dachte, der Kerl ist so langweilig, aber offensichtlich änderte sie ihre Meinung, weil sie sich bald verlobten. Im September 1919 heirateten sie dann. Ich habe noch ihre Hochzeitsbilder. Die riesige Hochzeitsfeier war in Frankfurt, eine große Menge Leute sind auf dem Hochzeitsphotos mit dem glücklichen Paar in der Mitte. (...) Sie muss 25 gewesen sein, mein Vater war 37, er war spät dran und auch sie, sie waren zwölf Jahre auseinander, er war zwölf Jahre älter als sie. Er war spät dran wegen seines Medizinstudiums. Und er war spät dran wegen des Krieges, der ihn weitere vier Jahre kostete. Nicht nur ihn, sondern alle, die im Krieg waren, auf beiden Seiten der Front, auf beiden Seiten der Schützengräben. Zu dem Zeitpunkt, da er aus dem Ganzen heraus kam und sich in Wiesbaden niederließ, war er 37 Jahre alt. (...)
In der Kristallnacht wurde mein Vater verhaftet, ich ebenso, er kam in ein Konzentrationslager, ich ebenso. Er hatte Glück, er wurde nach zwei Wochen entlassen, aber ich blieb fünf Monate. (...)
(Er hatte 1923 die Chance, aus Deutschland herauszukommen, als er einen amerikanischen Patienten hatte, der zu ihm sagte: „Doktor, Deutschland ist bankrott. Die Deutschen haben den Krieg verloren. Sie müssen all die Reparationen zahlen. Deutschland ist bankrott, ich organisiere alles für Sie, ich bezahle die Reise nach Amerika, ich verschaffe Ihnen Arbeit als Arzt, ich garantiere Ihnen das Einkommen für ein ganzes Jahr ... ... ...)
Ich war bei den letzten 212 Novemberjuden, so wurden wir genannt, Novemberjuden. Ich wurde (am 12. April 1939) mit 144 anderen entlassen und nach Hause geschickt. (...) (Hans B.) schreibt über seine Erfahrungen in Buchenwald. (...) Er berichtet von dicht gedrängten Menschenmassen und ähnlichem und dass er dann auf einen halb bewusstlos am Boden liegenden Mann stieß, um den sechs andere Wiesbadener herumstanden, und dass dieser Mann Dr. Fackenheim war, mein Vater. Ich kannte die Geschichte nicht. B. hatte eine kleine Flasche Mundwasser in seiner Hosentasche. Und so konnte er die Lippen meines Vaters feucht machen, ihn den Minzduft riechen lassen und ihn so wiederbeleben. So konnte man ihn wieder auf die Beine bringen. Und man hielt ihn weiter aufrecht, weil jetzt die Zeit zum stundenlangen Appell kam. Um ihn herum fielen brachen Leute zusammen und schrieen verzweifelt ‚Doktor, Doktor, Doktor!’ Und mein Vater, so schwach er auch, rappelte sich auf, kroch herum mit einer Flasche Mundwasser, die er von B. bekommen hatte, und versuchte den Leuten zu helfen, bis die SS kam und ihn anwies, das sein zu lassen oder sie würden ihn zusammenschlagen. Ich wusste davon nichts, weil ich von ihm getrennt war. Nur ganz zufällig erfuhr ich jetzt erst davon. Und auf welchem Weg? Ein Historiker in Buchenwald schickte mir die Geschichte. (N.B. Der Vorfall ist abgedruckt in dem Buch „Bürger auf Widerruf“ 1780 bis 1945)

Stammbaum
Grabstein
Die Symbolik des Grabsteins zeigt diesen Toten als einen Nachkommen der Leviten, jener Männer, die ein Wasserbecken oder eine Wasserkanne als Zeichen ihres Dienstes auf ihren Grabmalen tragen. Leviten sind die Nachkommen aus dem Stamme Levi, die nach altem Brauch den Kohanim an den Festtagen das Wasser zum Übergießen der Hände reichen, wenn diese sich anschicken, der Gemeinde den Segen zu geben.