Am 23.8.1951 berichtete eine Nachbarin, damals
63:
Nach dem plötzlichen Tode von Josef Rosenbaum
(1934) lebte seine Frau Ella nunmehr in Baumbach
ganz allein. Sie ist in dieser Zeit aber keinen
Verfolgungen ausgesetzt gewesen, wohl
insbesondere deshalb, weil sie im Dorfe allgemein
beliebt gewesen ist. Sie hat allerdings vor
Verfolgungen immer Angst gehabt und hat
teilweise nachts nicht im eigenen Haus geschlafen,
sondern bei anderen jüdischen Familien. Als
einmal Ausschreitungen bei Max und Julius
Neuhaus stattfanden, bei denen sie in der
betreffenden Nacht gerade übernachtete, ist sie
sozusagen im Nachthemd von dort nach ihrer
Wohnung geflüchtet. Das hat sie mir selbst erzählt.
(... ) Soviel ich weiß, hat Ella Rosenbaum von der
Familie H. S. auch noch Lebensmittel zu kaufen
bekommen, obwohl der Verkauf an sich verboten
war. So hat es mir die E. S. erzählt. Ich selbst habe
Frau Ella Rosenbaum bis in die letzte Zeit ihres
Wohnens in Baumbach mit Lebensmitteln
unterstützt, insbesondere habe ich ihr Milch, Brot
und etwas Butter gegeben. Ich tat das alles aber nur
in der Dunkelheit, weil ich mich selbst fürchtete,
dass mir etwas passierte, wenn es den Nazi-Größen
zur Kenntnis gelangte. Frau Ella Rosenbaum hat
ihrerseits dann für mich geflickt. Sie klopfte nach
Einbruch der Dunkelheit an mein Fenster und
fragte, ob ich etwas für sie hätte. (...) Ihr ganzes
Vermögen waren ihre Grundstücke, ( ... ) für
Unterhalt u. Erziehung der 7 Kinder ging alles
drauf. (...)
Die Haupttäter, die die Juden damals
drangsalierten, stammten nicht aus Baumbach,
sondern waren von Rotenburg gekommen. Es
haben sich ihnen wohl einige Baumbacher
angeschlossen.
Fred Rose (= Siegfried Rosenbaum) war der
Beauftragte seiner Geschwister, er lebte seit 1926
nicht mehr ständig zu Hause in Baumbach. Am 8.
Juli 1957 gab er in Los Angeles folgende
eidesstattliche Erklärung:
Ich kann nur erklären, dass es sich um eine sehr
gutgehende Viehhandlung von gutem Rufe und
Ansehen handelte, die auch entsprechend gute
Umsätze erzielt haben muss, was schon dadurch
hervorgeht, dass wir zu 7 Kindern zu Hause waren,
mein Vater Grundbesitz hatte, meine Mutter ein
Dienstmädchen hielt und alle Kinder eine gute
Schulbildung genossen. (...) Mein Vater hatte eine
der besten Viehhandlungen in unserer Gegend.
Der Umsatz ab 1933 ging mehr als 85 % zurück.
1934 bei dem verfolgungsbedingten Tode meines
Vaters kam das Geschäft ganz zum Erliegen. gez.
Fred Rose
Am 1.9.1950 stellten die Rosenbaumkinder einen
Antrag auf Rückerstattung eines Stücks Ackerland
in Sterkelshausen, in den dortigen Herrenwiesen.
Der neue Besitzer legte Widerspruch dagegen ein,
mit der Begründung:
1. Der Gegenwert wurde seinerzeit unmittelbar auf
ein Konto in Köln (damaliger Wohnsitz von Ella
Rosenbaum) gezahlt.
2. Durch eine Vereinbarung, die er mit Frau
Rosenbaum getroffen hatte, kam der zwangsweise
angeordnete Verkauf an den Landwirt A. nicht
zustande.
Als Beweis konnte der Käufer ein persönliches
Schreiben von Frau Rosenbaum vom Juli 1939 im
Original vorlegen und erklären:
Frau Rosenbaum hatte in der fraglichen Zeit durch
mich u. meine Familie in jeder Weise
persönlichen Schutz und war uns dafür auch
dankbar und erkenntlich. Es wird den
Nachkommen bestimmt erinnerlich sein, dass
meine Kinder in ihrem Haus an dem Feiertag die
erforderlichen Arbeiten verrichteten.
So der Käufer des Grundstücks.
Die Rosenbaums bestätigten die Version der
Baumbacher Familie. Am 14.12.1949 schrieben sie
( „Ihre Familie Fred Rose“) an die
Liebe Familie K. !“:
Wir haben Ihren Brief erhalten und danken wir
Ihnen recht herzlich dafür. Es tut uns sehr
leid, dass das Schicksal Sie so hart getroffen
hat. Wir fühlen mit Ihnen, da wir selbst unsere
Eltern und Geschwister auf unnötige Art
verloren haben.
Zu Ihrer Angelegenheit teilen wir Ihnen mit,
dass das Gesetz hier es von uns verlangt.
Hätten wir es nicht angemeldet, hätte es Ihnen
die I.R.S.O. abgenommen. Wir haben bereits
nach Eschwege geschrieben, in Ihrer Sache
nichts zu unternehmen.
Teilen Sie uns doch bitte mal mit, an welche
Bank in Köln Sie bezahlt haben. Wir wissen
nicht, wo der Rest des Geldes meiner Mutter
geblieben ist. Einlg. senden wir Ihnen einen
Brief von unserem Rechtsanwalt. Das Gesetz
sagt, retour geben oder ein Vergleich. Machen
Sie sich keine Sorgen.
Haben Sie recht frohe Weihnachten und ein
glückliches Neues Jahr. Ihre Familie Fred
Rose
In dem Wiedergutmachungsbescheid vom
11.12.1951 wurde dann auch als Vergleich
festgehalten: Das Grundstück von 18,69 ar
Ackerland verbleibt ohne besondere Zahlung
bei dem Erwerber.
Der hatte lediglich die Gerichtskosten und die
außergerichtlichen Kosten der Rosenbaums (bei
einem Streitwert von 450.- DM) zu zahlen - dies war
auch der Kaufpreis in RM, den der Käufer 1936 auf
ein Sperrkonto bei der Frankfurter Bank eingezahlt
hatte.
Grabstein von Joseph Rosenbaum I
(1873 - 1934) auf dem jüdischen
Friedhof in Baumbach (2. Reihe, oben)