Vor der Spruchkammer in Frankfurt machte Tochter
Rosi folgende Zeugenaussage:
Am 1. Abend kam Herr S. mit seinen Kumpanen ins
Haus und demolierte das Geländer, sie drangen auf
meine Eltern ein, dass sie auf den Boden geflüchtet
sind, (man) hat ihnen die gröbsten Worte an den Kopf
geworfen. Anschließend wurden sie mit allen anderen
auf dem Hofe versammelt - bei Wallach - und (sie)
mussten ihre Sparkassenbücher und Schmucksachen
abgeben. Das hat Herr S. befohlen. Wer die Sachen
bekommen hat, weiß ich nicht. Am 2. Abend kam
wieder Herr S. und schrie: „Herr Rath ist jetzt tot, und
wenn Ihr in 5 Minuten nicht das Haus verlassen,
bekommt Ihr die Hälse abgeschnitten!“ Die
Demolierungen waren erst anschließend, als die Leute
weg waren.
Die Tochter der Tannenbergs machte die Aussage auf-grund von Erzählungen ihrer nach Leipzig geflüchteten
Eltern.
Ein Zeitzeuge, damals 25, vor der Rotenburger
Spruchkammer:
Ich habe aus beiden Häusern (Tannenberg u. Wallach)
auf Befehl von Bürgermeister S. und
Polizeiwachtmeister W. verschiedene Möbelteile (...),
die bei den vorerwähnten Ausschreitungen, die sich
gegen sämtliche jüdische Familien des Ortes gerichtet
hatten, beschädigt und zerstört worden waren, (...) auch
Teile eines Treppengeländers und leere Kisten, in
denen früher Waren gewesen sein mögen, an eine
Schuttabladestelle gefahren, wo sie verbrannt wurden.
(...) Es ist zutreffend, dass in der Kristallnacht und den
folgenden Tagen in jüdischen Häusern geplündert
worden ist. Hauptsächlich Parteileute aus Rotenburg
haben sich an den hiesigen Ausschreitungen beteiligt.
Eine Zeitzeugin, die in dem Bahnhäuschen in der Nähe
der Fuldabrücke wohnte:
Rechts von der Fulda, hinter der Brücke, da war so ein
Tümpel, Durchmesser 5 bis 6 Meter. Die Wiesen dort
heißen ´Am Loch´. Die Baumbacher Bauern mussten
all das Zeug, was die SA kaputtgeschlagen und aus
den Fenstern rausgeschmissen hatte, dort hinfahren
und alles anstecken. Gegen vier fuhr damals immer ein
Bahntriebwagen aus Kassel vorbei. Noch Tage nach
der Kristallnacht stellten Fahrgäste, die von der Arbeit
in Kassel zurückfuhren, erstaunt fest: „Das Baumbacher
Fiere brennt immer noch!“