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© Hassia Judaica

Die Lage der Juden in Deutschland wurde im Verlauf der Jahre immer kritischer. Nach der Zerstörung der Synagogen (Kristallnacht 9. November 1938) kamen Briefe von seiner Mutter und seiner Schwester, die ihn baten, etwas zu tun, um sie aus Hitlers Klauen zu befreien. Mein Vater suchte die Onkel in Zion wegen einer eidesstattlichen Erklärung, eines Affidavits auf, aber sie hatten schon uns und sieben andere Verwandte aus Deutschland rausgeholt. Sie meinten, sie hätten genug getan. Meine Großmutter väterlicherseits hatte eine Nichte, die in Boston lebte, mit Namen Bertha Barkhouse geb. Wallach. Mein Vater hatte immer mit ihr korrespondiert, wenn auch nicht regelmäßig. Mein Vater tat sein Äußerstes und ließ wirklich nichts unversucht, seine Familie zu retten. An einem Samstagabend setzte er sich in einen Zug, um seine Cousine Bertha in Boston zu besuchen. Sie zeigte viel Verständnis und erkannte, dass ihre Tante und deren Familie in Todesgefahr waren. Leider hatte die Familie Barkhouse unter der Depression gelitten, sodass es ihr finanziell nicht möglich war, ein Affidavit abzugeben und zu versichern, dass sie für die in Aussicht genommenen Einwanderer sorgen würde, falls diese finanzielle Hilfe nötig haben. Dennoch versprach sie meinem Vater, dass sie mit jemand anderem über diese Angelegenheit reden wolle und vielleicht könne etwas geschehen. Sie hielt Wort und sprach mit Mr. Kaffenberg, der Tabakblätter aus Kuba importierte. Mr. Kaffenberg sicherte sofort Hilfe zu, indem er ein Affidavit lieferte und sich für meine Großmutter Bertha Neuhaus, meine Tante Lina und Onkel Fritz Blumenfeld, meine Cousine Gretel, meinen Cousin Günther und die Mutter meines Onkels, Berta Blumenfeld, verbürgte. Mr. Kaffenberg, der ohne irgendwelche Fragen zu stellen, bereit war, völlig fremden Menschen zu helfen und dadurch wahrscheinlich ihr Leben rettete, verdient jede erdenkliche Form von Anerkennung. Wenn es in jener Zeit mehr solcher herzensguter Leute gegeben hätte, hätten bestimmt viele zusätzliche Leben gerettet werden können.
Ich erinnere mich an einen Nachmittag kurz nach der Ankunft der Verwandtschaft, als Mr. Kaffenberg in unser Haus kam, um die Leute zu treffen und zu begrüßen, denen er geholfen hatte, nach Amerika zu kommen. Alle dankten ihm überschwänglich für seine Hilfe und er schien zu Recht zufrieden mit dem, was er erreicht hatte. Er bat mich, ihn an die U-Bahn-Station an der Prospect Avenue zu bringen und gab mir für meine Hilfe einen Vierteldollar.
Ich möchte betonen, dass meinem Vater ein großer Teil des Verdienstes zukommt, dass das Leben unserer Verwandten gerettet wurde. Er war es, der die Räder in Bewegung setzte, sodass mit G’ttes Hilfe keiner aus meiner näheren Verwandtschaft sein Leben verloren hat. Mein Vater spielte auch eine aktive Rolle in unserer Gemeinde. Er war einer ihrer Gründer und nach dem Zweiten Weltkrieg diente er ihr zunächst als Vizepräsident und zuletzt als Präsident. Nach dem Umzug nach Washington Heights im Jahr 1955 diente er viele Jahre lang in einer anderen Synagoge als Vizepräsident. Obwohl mein Vater direkt nicht allzu viel zu meiner schulischen Erziehung beitrug, war er dennoch ein guter Lehrer. Indem ich sein Handeln beobachtete, lernte ich, ein guter Sohn zu sein. Ich lernte, wie wichtig es ist, seiner Familie jederzeit zu helfen, besonders aber in Zeiten der Not. Weiterhin lernte ich von ihm das Interesse an der Gemeinde und die Teilnahme an ihren Aktivitäten und die Übernahme von Aufgaben.

  
Bertha Neuhaus geb. Wallach, Isfrieds Großmutter, war im November 1933 zusammen mit ihrem Ehemann Samuel (er verstarb1937) zu ihrer Tochter Lina nach Momberg bei Marburg gezogen. Lina war dort mit Fritz Blumenfeld verheiratet. Bertha stammte aus Oberaula