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Projekt Samuel Spiro
"Für unseren Rabbiner war es um so leichter, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, als in dem erzkatholischen Fulda die Atmosphäre eines religiösen Fanatismus herrschte. Im Gymnasium waren 80 Prozent der Schüler und Lehrer katholisch, und sie unterstanden der strengen Aufsicht der katholischen
Geistlichkeit, die mit eiserner Hand die
Schüler zur „Frömmigkeit" anhielt. In diesen Kreisen fand denn auch der Rabbiner volles Verständnis für seine Erziehungsmethoden. [...] In der Oberprima waren unter 33 Schülern
28 Katholiken, vier Juden und ein Protestant. Bezeichnend für den Geist der Schule war,
daß von den 28 Katholiken 18 Pfarrer wurden.
Unser katholischer Gymnasialdirektor, ein tiefreligiöser Mann, unterhielt zu den jüdischen Schülern die besten Beziehungen. Nie hätte er eine Verletzung der religiösen Gefühle der jüdischen Schüler geduldet, und bis auf einen einzigen protestantischen Lehrer wagte keiner der Lehrer, antisemitische oder religionsfeindliche Bemerkungen zu machen. Und auch diesem antisemitischen Lehrer wurde durch den Direktor das Handwerk gelegt.



  
Samuel Spiro in seinen "Jugenderinnerungen aus hessischen Judengemeinden":
  
Das Fuldaer Gymnasium war seit 1806 in dem Gebäudekomplex der ehemaligen Universität. (Lithographien v. J. Engel, 1840).
Hier war Samuel Spiro Schüler von 1900 bis zum Abitur 1904.