Neuanfang in einem fremden Land
Siegfried hatte eine Tante und einen Onkel in USA,
die bereits 1895 ausgewandert waren. Sie lebten in
Louisville in Kentucky und hatten die Bürgschaft für
seine Einreise übernommen. Das war eine
Voraussetzung, um eine Aufenthaltsgenehmigung in
Amerika zu bekommen. Dorthin fuhr er nun und
Louisville sollte seine zweite Heimat werden. Seine
Eltern hatten ihn finanziell gut ausgestattet, sodass
er zunächst Unterkunft und Lebensunterhalt
bezahlen konnte und noch genügend zur Verfügung
hatte, um seine Tante Sadie und Onkel Sidney für
alle Bemühungen zu entschädigen. Aber er war sehr
einsam, das Heimweh nagte an ihm. Bei aller
Niedergeschlagenheit war ihm klar, dass er als erstes
Englisch lernen musste. So raffte er sich auf und
besuchte eine Sprachenschule. Außerdem brauchte
er dringend eine Arbeit, um seinen Lebensunterhalt
zu finanzieren.
Zunächst jobbte er neben dem Unterricht eine
zeitlang in einer Lebensmittelgroßhandlung und
entlud angelieferte Ware. Danach bekam er Arbeit in
einer Möbelfabrik, wo er überzogene Möbelknöpfe
herstellte. Hier arbeitete Siegfried so fleißig und
schnell, dass er bald einen reichlichen Vorrat
geschafft hatte und die Firma ihn nicht mehr
brauchte.
Im dritten Anlauf fand er einen Arbeitplatz in einem
Eisen- und Haushaltswarengeschäft, der ihm sehr
zusagte. Hier kannte er sich aus, diese Arbeit
erinnerte ihn an das Geschäft seines Vaters, wo er
schon als Kind geholfen hatte. Engagiert machte er
viele Überstunden, „bis zu 84 Stunden leistete ich
wöchentlich bei einem Stundenlohn von 10.15 $.
Ich verzichtete in den ersten 4 Jahren auf jeden
Urlaubstag. Ich war noch jung“, schreibt er in einem
Brief an Heidi Rößing, „es hat mir nicht geschadet.“
Bald konnte er den Eltern Geld nach Deutschland
schicken, denn für sie war eine harte Zeit ohne
jegliches Einkommen angebrochen. Ihre Ersparnisse
brauchten sich auf. Er selbst wohnte weiterhin bei
Onkel und Tante, zahlte für sein Zimmer Miete und
stellte keine Ansprüche. „Aber es war keine leichte
Zeit“, erinnert sich Fred. Inzwischen nannte er sich
Fred, da Siegfried in Amerika ein sehr ungeläufiger
Name war.
Louisville im Jahr 1935: die Stadt im US-Bundesstaat Kentucky wurde für Siegfried
(ab jetzt Fred) Speier zur neuen Heimat.